Am 20. Januar hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen der «allgemeinen Bevölkerung» ein neues «Lebensmittel» beschert: UV-behandeltes Pulver ganzer Mehlwurm-Larven (wir berichteten). Das Unternehmen Nutri’ Earth darf sein Produkt seit dem 10. Februar vermarkten, dem Konsumenten kann es in Brot und Brötchen, Keksen und Kuchen, Teigwaren, verarbeiteten Kartoffelerzeugnissen, Käse und daraus hergestellten Erzeugnissen sowie Obst- oder Gemüsekompott begegnen.
Obwohl das Produkt auch Schwermetalle, Mykotoxine, Dioxine und polychlorierte Biphenyle (PCB) enthält, kam die EU in ihrem wissenschaftlichen Gutachten zu dem Schluss, «dass das UV-behandelte Pulver ganzer Larven von ‹Tenebrio molitor› unter den vorgeschlagenen Verwendungsbedingungen und -mengen sicher ist».
Nur im Kleingedruckten muss auf den Etiketten erwähnt werden, dass die Produkte dieses Pulver enthalten. Obwohl laut EU die Möglichkeit allergischer Reaktionen bei Personen besteht, die sensibel auf Krustentiere oder Hausstaubmilben reagieren. Auch könnten andere Allergene in das neuartige Lebensmittel gelangen, wenn sie in dem Substrat vorhanden sind, mit dem die Insekten gefüttert wurden.
Ansonsten besteht die EU hinsichtlich des Herstellungsverfahrens nicht auf Transparenz. Die wissenschaftlichen Daten über die Produktion dieses neuen «Lebensmittels» wurden deshalb auf Antrag des Herstellers geschützt. Besonders auffällig: Nutri’ Earth ist das einzige Unternehmen, das diesen Zusatzstoff in den nächsten fünf Jahren in Umlauf bringen darf.
Auch in der Schweiz wurden Insekten in der Nahrung ohne große öffentliche Diskussion im Hauruck-Verfahren durchgesetzt. Das stellt den Verbraucher vor ein Problem: Entweder er geht mit Lupe zum Einkaufen oder verwendet eine entsprechende App (wir berichteten hier und hier).
In Italien dagegen sorgte ein Video der Barilla-Stiftung, das Pasta mit Insekten verband, für einen medialen Aufschrei und eine offizielle Stellungnahme der Regierung. Jetzt ist Regierungschefin Giorgia Meloni noch einen Schritt weitergegangen: Sie will Supermärkte dazu zwingen, mit Insektenmehl hergestellte Lebensmittel auszusondern und von anderen Produkten zu trennen, um Verwirrung bei den Verbrauchern zu vermeiden. Dafür wurden, wie die italienische Presseagentur ANSA Ende März berichtete, vier Dekrete verabschiedet.
Die neuen Verordnungen, die von den Ministerien für Landwirtschaft, «Made in Italy» und Gesundheit gefördert werden, legen fest, dass diese Produkte in speziellen und differenzierten Regalen deutlich gekennzeichnet werden müssen. Ziel sei es, so die italienischen Behörden, dass diejenigen, die Insekten konsumieren wollen, dies mit umfassender Information tun können, und dass diejenigen, die sie ablehnen, sie leicht vermeiden können.
«Wir werden in den Verkaufsstellen spezielle Bereiche reservieren, damit diejenigen, die Lebensmittel mit Grillen, Heuschrecken oder Larven kaufen möchten, diese leicht finden können, während diejenigen, die daran nicht interessiert sind, ihnen fernbleiben können», erklärte Landwirtschaftsminister Francesco Lollobrigida bei der offiziellen Vorstellung der Dekrete.
Diese Maßnahmen, die der EU-Kommission bereits zur Bewertung vorgelegt wurden, verpflichten Supermärkte nicht nur zur räumlichen Trennung der Produkte in den Regalen, sondern auch zu einem detaillierten Etikett, das über die Menge des verwendeten Insektenmehls, seine Herkunft und mögliche Nebenwirkungen informiert, insbesondere für Menschen mit Allergien gegen Krebstiere oder Milben.
Der Minister für das «Made in Italy», Adolfo Urso, verteidigte die Entscheidung mit der Begründung, dass damit die «mediterrane Ernährung», die als eines der kulturellen und gastronomischen Markenzeichen des Landes gilt, geschützt werden soll. Urso betonte, dass dieser Schutz angesichts «neuer Lebensmittelmoden, die nicht Teil der italienischen Tradition sind», notwendig sei.
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